Alles in Maßen, auch im Hundetraining

Vielleicht kennst du das: Du bist auf der Suche nach der einen Trainingsmethode, die bei deinem Hund immer funktioniert – egal in welcher Situation. Aber die Wahrheit ist, dass es diese eine, immer funktionierende Methode selten gibt. Jede Mensch-Hund-Beziehung ist einzigartig, und genau deshalb führt uns der Weg oft über das Finden der richtigen Balance – und hier kommt die sogenannte Optimumskurve ins Spiel. Sie zeigt uns, dass es in vielen Bereichen des Lebens einen Punkt gibt, an dem alles zusammenpasst. Zu wenig oder zu viel kann hingegen genauso problematisch sein wie das andere Extrem.

Lass uns zusammen genauer anschauen, was hinter dem Konzept der Optimumskurve steckt und warum es so wertvoll im Hundetraining ist. Und natürlich, wie du es konkret für deinen Alltag mit deinem Hund nutzen kannst.

Was genau ist die Optimumskurve?

Stell dir eine geschwungene Kurve vor, die langsam ansteigt, ihren Höhepunkt erreicht und dann wieder abfällt. Der höchste Punkt auf dieser Kurve ist das Optimum – der Moment, in dem alles im Gleichgewicht ist und der Nutzen, ob es um Lernen, Wohlbefinden oder Leistung geht, am größten ist. Wenn wir auf den abfallenden Seiten der Kurve landen, sind wir entweder in einem Bereich des „zu wenig“ oder „zu viel“, wo die positiven Effekte wieder abnehmen und sogar ins Negative kippen können.

Herkunft und Anwendung der Optimumskurve

Die Optimumskurve hat ihren Ursprung in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen – zum Beispiel:

  • Wirtschaftswissenschaften: In der Ökonomie geht es bei der Optimumskurve oft um Effizienz – Zu wenig Einsatz bringt wenig Ertrag, aber auch zu viel Aufwand kann sich negativ auswirken, weil die Kosten den Nutzen übersteigen.
  • Biologie und Umweltwissenschaften: Auch in der Natur gilt: Weder zu wenig noch zu viel von einem bestimmten Faktor, wie Wasser oder Sonnenlicht, tut gut.
  • Psychologie und Verhaltenswissenschaften: In der Psychologie kennen wir das Yerkes-Dodson-Gesetz. Zu wenig Anregung kann zu Langeweile führen, während zu viel Stress wiederum die Leistung beeinträchtigen kann.

Warum passt die Optimumskurve so gut zum Hundetraining?

Genauso wie in diesen wissenschaftlichen Bereichen geht es auch beim Hundetraining darum, das richtige Maß zu finden. Die Idee der Optimumskurve hilft uns, die Balance zu erkennen – denn jeder Hund ist anders, und was für den einen passt, kann für den anderen zu viel oder zu wenig sein. Die besten Trainingsergebnisse erzielst du, wenn du dich im optimalen Bereich bewegst. Das bedeutet, dass dein Hund weder über- noch unterfordert ist. Wenn wir allerdings immer in Extremen arbeiten – sei es durch zu viel Kontrolle oder zu viel Freiheit – wird der Erfolg meist nur von kurzer Dauer sein.

Damit das Ganze noch greifbarer wird, schauen wir uns ein paar Beispiele an, wie die Optimumskurve dir helfen kann, das Training deines Hundes besser zu gestalten:

Lob und Korrektur: Die Balance zwischen Ermutigung und Grenzen setzen

Du möchtest deinen Hund für gutes Verhalten loben – aber wie oft ist zu oft, und wie wenig ist zu wenig? Wenn Lob zu selten kommt, bleibt dein Hund unsicher, was richtig ist. Wenn es hingegen bei jeder Kleinigkeit gegeben wird, verliert es schnell seinen Wert. Dein Hund könnte dann den Eindruck bekommen, dass alles gleich bedeutend ist, und der Effekt des Lobens verpufft.

Stell dir vor, du bringst deinem Hund bei, „Sitz“ zu machen. Wenn du ihn jedes Mal, auch bei unsauberem „Sitz“, überschwänglich lobst, lernt er möglicherweise nicht, den Befehl präzise auszuführen, sondern wartet einfach nur auf die Belohnung. Gibst du jedoch nie klares Lob, wenn er es richtig macht, wird er nicht mehr wissen, was von ihm erwartet wird.

Lob solltest du also gezielt einsetzen, genau im richtigen Moment und in der passenden Intensität. Manchmal reicht ein einfaches „Gut gemacht!“, während es in anderen Momenten eine intensivere Belohnung braucht.

Korrekturen: Grenzen setzen, aber richtig

Genauso wichtig wie das richtige Maß an Lob ist der gezielte Einsatz von Korrekturen. Korrekturen sollen deinem Hund helfen, zu verstehen, welches Verhalten unerwünscht ist. Wenn Korrekturen zu selten oder zu schwach ausfallen, lernt der Hund nicht, welche Grenzen es gibt. Wenn sie jedoch zu oft oder zu hart sind, kann dein Hund ängstlich oder unsicher werden, was die Vertrauensbasis zwischen euch beeinträchtigen könnte.

Stell dir vor, dein Hund zieht ständig an der Leine, weil er gelernt hat, dass er damit schneller vorankommt. Wenn du ihn niemals korrigierst, bleibt für ihn das Verhalten ‘in Ordnung’ und er wird es weiterhin tun. Auf der anderen Seite: Wenn du ihn jedes Mal scharf zurückreißt oder ihn anschreist, wann immer er zieht, könnte er anfangen, die Leine und das Spazierengehen insgesamt als negativ zu empfinden und dabei sogar Angst entwickeln.

Setze klare, ruhige, aber bestimmte Signale ein, um deinem Hund zu zeigen, was unerwünscht ist. Wichtig dabei ist, dass die Korrektur unmittelbar auf das unerwünschte Verhalten folgt und in ihrer Intensität angemessen bleibt. Sie sollte niemals aus Wut oder Frustration erfolgen, sondern immer im Sinne einer klaren Kommunikation.

Die Kombination aus Lob und Korrektur, die beide im richtigen Maß und zur richtigen Zeit eingesetzt werden, schafft eine stabile Basis, auf der dein Hund lernen kann, was von ihm erwartet wird, ohne sich dabei unsicher oder überfordert zu fühlen.

Bewegung und Ruhe: Die richtige Mischung für ein ausgeglichenes Hundeleben

Manchmal merkst du vielleicht, dass dein Hund unruhig oder sogar destruktiv wird. Ein häufiger Grund dafür ist, dass er nicht genug Bewegung und Beschäftigung bekommt. Zu wenig Aktivität kann dazu führen, dass sich aufgestaute Energie in Form von übermäßigem Bellen, Zerstören von Gegenständen oder anderen Verhaltensproblemen entlädt. Auf der anderen Seite: Wenn dein Hund ständig ‘ausgelastet’ wird und keine Ruhephasen bekommt, könnte er gestresst und überfordert sein.

Nehmen wir mal einen aktiven, jungen Labrador. Ein täglicher Spaziergang von 15 Minuten reicht ihm nicht aus – die überschüssige Energie sucht sich ihren Weg, oft in Form von Zerstörungswut oder übermäßigem Bellen. Andererseits, wenn du ihn jeden Tag zu intensiven Bällchen werfen oder endlos langen Läufen zwingst, ohne ihm ausreichend Ruhe zu gönnen, wird er überlastet und vielleicht sogar reizbar.

Plane also Aktivitäten, die sowohl körperliche als auch geistige Auslastung bieten, und achte dabei auf die individuellen Bedürfnisse deines Hundes. Ein Mix aus Spaziergängen, Spielen und Ruhezeiten sorgt dafür, dass dein Hund körperlich und geistig ausgeglichen bleibt. Grundsätzlich gilt: Hunde brauchen zwischen 16 und 22 Stunden am Tag Ruhe – ja, so viel!

Fazit: Die Optimumskurve als Leitfaden für besseres Hundetraining

Die Optimumskurve zeigt uns: Es geht nicht darum, das eine perfekte Maß für alle Hunde zu finden. Es geht darum, für deinen Hund das richtige Maß zu entdecken – durch genaues Beobachten, Ausprobieren und Anpassen. Damit kannst du ein Training gestalten, das für euch beide funktioniert – ausgewogen, nachhaltig und voller Vertrauen.

Also, wenn du das nächste Mal mit deinem Hund trainierst, denke an die Optimumskurve. Sie kann dir helfen, die Balance zu finden, die dein Hund braucht, um glücklich, gesund und motiviert zu bleiben.

Hast du Fragen, Wünsche, Anregungen? Ich freu mich auf dein Feedback

Hanna David
Hanna DavidGründerin Coaching für Hundehalter
Expertin für Hundeverhalten, Erziehung und Persönlichkeit, Coach, Dozentin, Autorin